Die Gesetzlose Gesellschaft zu Berlin Gegründet in Berlin am 4. November 1809 |
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Vortrag aus Anlaß der Wiederkehr des 183.
Gründungstages der
Gesetzlosen Gesellschaft zu Berlin, 13. November 1992
Sehr geehrter Zwingherr! Verehrte Gesetzlose !
Thema: Eine kleine Nachbarschaftskunde über unseren nächsten östlichen Nachbarn unter dem Motto: "Nachbarn können miteinander auskommen oder gegeneinanderstehen, sie müssen aber auf alle Fälle nebeneinander leben!"
70 km östlich der Tore unserer Stadt lebt das 38 Mio-Volk der Polen in nunmehr völkerrechtlich gesicherten Grenzen. Durch Staatsvertrag sind Deutsche und Polen aufgefordert, friedlich und in Freundschaft gegenseitig neue Beziehungen aufzubauen: "Brücken zu schlagen". Um dies vorurteilsfrei und zukunftsgerichtet tun zu können, sollte man sicher auch die Kenntnisse über das andere Volk vertiefen.
Was wissen wir? in aktuellen Schlaglichtern
Staat:
1918 Wiedererrichtung des Staates nach 123 Jahren der "Nichtexixstenz"
1920/21 Präs. Pilsudski's Kampf um die Ostgrenze zu Rußland
1939 Deutschland's Kriegserklärung für den "Blitzkrieg"
1945 Volksrepublik Polen entsteht nach der in der
Potsdamer Konferenz beschlossenen Verschiebung nach Westen:
"Oder-Neiße-Linie"
1970 Warschauer-Vertrag: Anerkennung der westlichen Staatsgrenze
1980 Gründung der "Solidarnosc"
1981 Verhängung des Kriegsrechtes
1989 Nichtkommunistische Regierung unter Mazowiecki
1991 Deutsch-Polnischer Nachbarschafts- und Grenzvertrag
Das Bild über die Menschen und die Verhältnisse:
- Polen auf dem "Polenmarkt" / Deutsche auf den "polnischen Grenzmärkten"
- Polnische Schwarzarbeiter, Autoschieber-Banden
- Schleppende Gewährleistung des "Minderheitenschutzes für Deutsche"
- Grenzhindernisse: "30 Stunden Wartezeit B 12. Frankfurt/O"
- Polnische Sprache: Barriere oder leichte Hürde für Kommunikation?
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Ein Aufeinander-Zugehen (auf den Partner, der eine EG-Mitgliedschaft anstrebt) ist daher keine leichte Aufgabe, obwohl letztlich unverzichtbar. Es erfordert persönliche Anstrengungen von Jedem; Staatsbesuche und gegenseitige Auszeichnungen (Bundesverdienstkreuz für Skubiszewski und Ehrendoktorat für Genscher) oder "Nostalgie-Tourismus" reichen nicht aus.
Daher: möchte ich heute mit einem kurzen Aufriss der Geschichte Polens bis 1795 meinen Beitrag leisten.
Ihnen, - insbesondere denen, die manche höchstpersönliche Erfahrungen in dem Verhältnis zum polnischen Staat und seinen Menschen gemacht haben - möchte ich heute keine aktuelle Bewertung der neueren Zeit anbieten, sondern mit meinen Ausführungen die Geschichte Polens bis zu seinen Teilungen 1772-95 darstellen.
Ich hoffe, dieses Bild frei von den früher häufig vorgekommenen nationalistischen oder dogmatischen Verzerrungen darstellen zu können..
[Hinweis auf die Tischvorlage: Regenten, Zeittafel, Karten]
Beginnen möchte ich mit der durch Dokumente gesicherten Geschichte:
P I A S T E N
Unter Mieszko I. vollzog sich im fruchtbaren Einzugsgebiet der Warthe (später: Großpolen) die Unterwerfung und der Zusammenschluss der Stämme des Bauernvolkes der Polanen (pola=Feld). Entscheidend für den machtpolitischen Aufstieg des begründeten Staates war Mieszko`s Entscheidung, das Christentum anzunehmen. 965 heiratete er die katholische böhmische Fürstentochter Dubrawka, die die Christianisierung mit böhmischen Geistlichen auslöste. Die Staatsgründung stand unter der Patenschaft des deutschen Kaisers, dem er in Treue und Tribut zugewandt war, und der katholischen Kirche.
Sein Sohn Boleslaw I. unterstützte die Feldzüge des deutschen Kaisers, wobei er sein Staatsgebiet durch Eroberung Kleinpolens und das Mündungsgebiets der Weichsel erweiterte. Er unterstützte den dt. Kaiser Otto III. bei seinen Plänen zur Errichtung eines christlichen Weltreiches , zu dem auch die "Sclavina", das Slavenreich gehören sollte. Im Jahre 1000 gestattete der Kaiser - in Absprache mit Rom - die Errichtung des Erzbistums Gnesen als eigene Kirchenprovinz (mit den Bistümern Breslau, Krakau, Kolberg, Posen). Dies ermöglichte den Aufbau einer polnischen Kirchenorganisation, die die Lösung Polens vom deutschen Reich begünstigte. Otto III. hatte u.a. Boleslaw vom tributarius zum dominus erhoben.
1024 ließ er sich mit Zustimmung des Papstes Johannes XIX. in Gnesen zum polnischen König krönen.
Doch seine Nachfolger konnten die eroberten Gebiete, wie Pommern, Schlesien und die Marken westlich der Oder, nicht halten. Durch Adelsstreitigkeiten verloren sie auch die Königswürde.
Boleslaw III. konnte zwar wiederum Pommern für Polen gewinnen, durch sein Testament führte er jedoch die Senioratsverfassung ein, wonach -altslavischer Tradition gleichberechtigter Erbfolge im männlichen Stamm folgend - das Reich unter seine fünf Söhne unter dem Seniorat des Ältesten (mit Sitz in Krakau) aufgeteilt wurde. Die darauf folgenden Kämpfe unter den Herrschaftshäusern um das Primat und die Vergrößerung des Geschlechts bewirkten weitere Aufteilungen, die im 13. Jahrhundert zu 20 Kleinstaaten führten.
Erst Wladislaw I. gelang es im Kampf gegen den ORDEN und die Teilfürsten mit Unterstützung der ungarischen Krone und des litauischen Großfürsten die polnischen Kernprovinzen wiederzuvereinigen und zu konsolidieren. 1320 ließ er sich in Krakau zum polnischen König krönen.
Sein Sohn Kasimir III., der Große, der letzte Piastenherrscher, konzentrierte sich auf die Reformierung des Staates. Zur Absicherung der äußeren Grenzen verzichtete er 1325 auf Schlesien und schloss 1343 den Frieden mit dem Deutschen Ritterorden.
Er förderte den Handel, führte eine Münzreform durch und festigte des Staatshaushalt. Er unterstützte die deutsche Besiedlung und die Gründung neuer Siedlungen und Städte, für die er das deutsche Stadtrecht (Magdeburger bzw. Lübecker Recht) einführte. Man sagt ihm nach, er hätte "ein hölzernes Polen vorgefunden und ein gemauertes hinterlassen". Die günstigen Verhältnisse lockten viele Deutsche nach Polen. In der Landesverwaltung führte er die Wojewodschaften, unterteilt nunmehr in Starosteien, fort und schuf neue Hofämter , die in der Zentrale (Krakau) von Angehörigen der Magnatenfamilien und auf Wojewodschaftsebene vom Landadel besetzt wurden.
In den Statuten (Kleinpolen: Wislica; Großpolen: Petrikau 1364) kodifizierte er - erstmals für Polen - das Strafrecht und regelte die Rechte und Pflichten der Adligen und Bauern.
Seinem Reich von 2 Mio. Einwohnern auf 240.000 km² konnte er im Mannesstamm keinen Nachfolger schenken, so dass mit ihm die Piastendynastie 1370 ausstarb.
Haus A N J O U
Im Rahmen der Kasimir`schen Erbfolgeregelung eilte Ludwig von Ungarn sofort nach Polen und ließ sich in Krakau zum König krönen. Er übertrug jedoch die Statthalterschaft seiner Mutter Elisabeth, einer Schwester des Verstorbenen, die mit dem polnischen Amtsadel, der Cracovitae, eine selbstherrliche Regierung bei dauernder Abwesenheit des Monarchen führte. Ludwig zeigte an Polen nur im Rahmen seiner Heiratspolitik Interesse, um seinen Töchtern Maria und Hedwig (Jadwiga) eine Mitgift zu sichern. Gegen das Zugeständnis, dass die von ihm bestimmte Tochter auf dem polnischen Thron nachfolgen dürfe, gewährte er 1374 im Privileg von Kaschau dem unzufrieden gewordenen Adel Befreiung von allen Steuern mit Ausnahme der auf 2 Groschen reduzierten Pflugsteuer, versprach die Vergabe von Landesämtern nur an Polen und verpflichtete sich, das Reich ungeschmälert zu erhalten und verlorengegangene Gebiete zurückzuerobern. Damit hatte der Adel sein Mitspracherecht auf alle relevanten Gebiete ausgedehnt und seine Zustimmungsrechte verfestigt.
Die herausgehobene Sonderstellung des privilegierten Adels, der SZLACHTA, wurde zum Kennzeichen der späteren Adelsrepublik.
Das "ungarische Zwischenspiel", das mit dem Zerfall der staatlichen Ordnung und Aufkommen des Raubrittertums verbunden war, endete 1382 mit Ludwig`s und Elisabeth`s Tod.
Nach deren Tod verständigten sich die polnischen Magnaten darauf, Ludwigs Tochter Hedwig (Jadwiga) als Regentin über Polen anzuerkennen, wenn sie den Großfürst Jagiello von Litauen ehelichte. Nachdem in 1384 eine Adelsversammlung ihr Erscheinen in Krakau erzwungen hatte, wurde sie zum König (rex) gewählt. Das Heidentum des Ehekandidaten wurde im Vertrag von Krewo 1385 überwunden: Jagiello verpflichtete sich mit allen Fürsten, dem Adel und dem Volk Litauens den katholischen Glauben anzunehmen und seine Länder "für immer der Krone des Königreiches Polens anzugliedern". 1386 wurde er in Krakau getauft und "zum Herrn und König des Königreiches Polen" gekrönt.
Damit war die litauisch-polnische (Personal-)UNION vollzogen und das Zeitalter der Piasten endgültig zu Ende.
J a g i e l l o n e n
Wladyslaw II Jagiello bemühte sich intensiv um die schnelle Annäherung und Verschmelzung der litauischen Verhältnisse an Polen:
- Massentaufen zur Christianisierung (Andreas, Bischof von Wilna)
- 1387 für die lit. Bojaren die Rechte und Pflichten der poln.Szlachta und damit
Mitbestimmung in Staatsangelegenheiten
- 1413 Union von Horodlo: Gemeinsame Adelszusammenkünfte von Polen und Litauern.
Er mute aber auch gegen heftige litauische Opposition angehen: Sein Vetter Witold betrieb (als dux Lithuniae Statthalter über ganz Litauen) eine starke Selbstständigkeitspolitik und eigene Eroberungspläne (als "König von Litauen und der Rus") nach Osten (Goldene Horde, Gftm. Moskau). Erst 1401 schwor er Treue und Loyalität und erhielt dafür als supremus princeps großfürstliche Gewalt über Litauen.
Durch die Christianisierung Litauens wurde auch die moralische Daseinsberechtigung und die Existenzfrage für den Deutschen Orden virulent und ausgekämpft: Die Ordensritter waren 1226 vom Herzog von Masowien gerufen worden, um die heidnischen Pruzzen und andere baltische Stämme (also auch Litauen) zu bekehren oder zu vertreiben. Bis 1311 eroberten sie das Land der Pruzzen und Pommerellen, gründeten Königsberg und 1226 die Marienburg als ihren Sitz, gingen ab 1237 mit den livländischen "Schwertbrüdern" zusammen und geboten damit über das Land von Kulm bis Riga (Livland). Der ständige Zankapfel zwischen dem Orden und Polen, Pommerellen, führte zum Krieg und 1410 zur Niederlage der Ordensritter bei Grunwald (Tannenberg). Es folgten Gebietsverluste im 1. Thorner Frieden (1411), erneuter Krieg und im 2. Thorner Frieden (1466) die Reduzierung der Ordensmacht auf ein lehnsabhängiges kreuzritterliches Preußen um Königsberg.
Kasimir IV Jagiellonczyk betrieb eine dynastische Ausweitung nach Böhmen-Ungarn: Durch Heirat (1454) mit Elisabeth von Habsburg, der Enkelin Kaiser`s Sigismund, ermöglichte er seinem Sohn Wladyslaw den Griff nach der Wenzelskrone und - nach einem Krieg mit seinem Bruder Jan Olbracht - auch der Stefanskrone. Danach kontrollierten die Jagiellonen zeitweilig vier bedeutende Throne mit einem Gebiet vom Böhmerwald bis zum Schwarzen Meer, handelten sich damit aber auch außenpolitische Probleme (Gegensatz zu Habsburg und Türkenabwehr) ein.
Jan I Olbracht musste dann auch - erfolglos gebliebene - Kriege gegen die Türken um die Schwarzmeerhäfen und die Moldau führen.
Auch die Verteidigung ihrer Ostgrenze gegen die aufstrebenden Großfürsten von Moskau bereitete Probleme: Trotz der Eheschließung Aleksander`s mit Elena, der Tochter Ivan III., dem damit ein Grund zur ständigen Einmischung in Litauen (Unterdrückung der Orthodoxie) eröffnet wurde, folgten fünf Kriege mit den Moskowitern und Gebietsverluste (1503 Dnepr-Gebiete, Severien, 1522 Smolensk, 1537 Polock).
Unter Zygmut II August, dem Letzten der Jagiellonendynastie, kam es - zu kriegerischen Auseinandersetzungen mit dem "schrecklichen" Iwan IV über Kurland, Semgallen und Livland (Nachlas des Ordensstaates) - 1569 mit der Unionsakte von Lublin zu Realunion zwischen Polen und Litauen: Verbindung zu einem "unteilbaren Leib", zu einem Bundesstaat (gemeinsame Königswahl, Reichstage, Außenpolitik, Münze). Den Reichsteilen verblieben: eigene Verwaltung, Rechtsprechung, Heer und Finanzen. GEWINN für Kronpolen: von 260 000 km² auf 815 000 km² mit 7.5 Mio. Einwohner.
A D E L
Die innenpolitischen Machtverhältnisse wurden maßgeblich durch die Ausbildung der Adelsgesellschaft (SZLACHTA) geprägt, die in einer für Europa einmaligen extrem-republikanischen Adelsverfassung ihren Ausdruck fand. Ihre Kennzeichen waren: GLEICHHEIT _ ADELSBRUDERSCHAFT _ goldene FREIHEIT _ ABSOLUTA POTESTAS.
Die adligen Grundherren waren nicht durch Lehensnexus mit der Krone verbunden; sie hatten keine Vasallen hinter sich. Es gab keine feudale Über- und Unterordnung, sondern ein eigenartiges System der "Verbrüderung". Die durch gemeinsame Wappen und Losung verbundenen Adligen bildeten sich zu einem abgeschlossenen "Stand" aus.
Die Szlachcicen erkämpften sich von den Königen immer weiterreichende PRIVILEGIEN:
1374 Kaschau: Monopol auf Ämter und Würden und Richterämter
1386 Ausschluss der Bürger von Verwaltung der Lehen, Würden, Ämter, Starosteien, Burgen; gleiche Rechte für litauische Bojaren
1422 Czerwinsk: kein Einzug adliger Güter ohne königliches Urteil
1430 Jedlno: HABEAS-CORPUS-Akte
1433 Krakau: Urteilsvollstreckung gegen Adlige nur durch König
1454 Ceretvica: Einberufung des Allgemeinen Aufgebots nur mit Zustimmung des Landtages
1496 Piotrkow: Entzug des Rechtes auf Landbesitz für Bürger und Städte
1501 Mielnik: Recht auf Aufkündigung des Gehorsams bei Pflichtverletzung durch den Monarchen
1505 Radom: Allgemeines Mitbestimmungsrecht "Nihil novi"
1573 Warschau: Articuli Henriciani: Prinzip der uneingeschränkten Souveränität der Szlachta; Nutzungsfreiheit alles adligen Grundbesitzes
Diese Vorrechte wurden der Krone - teilweise unter massiver Nötigung - abgetrotzt und als "Augapfel der goldenen Freiheit" hartnäckig verteidigt.
Ihre Macht übten die Adligen über die LANDTAG (Sejmiki) und die REICHSTAGE (Sejmy), gegliedert in die Landbotenkammer und den Senat, aus, in den sie ausschließlich und formal gleichberechtigt das aktive Wahlrecht genossen. Ihre Interessen waren überwiegend von egoistischen Standesvorteilen und Partikularismus geprägt; ihre Handlungen blockierten zunehmend zentrale Lösungen und die königliche Gewalt und paralysierten letztlich den Staat bis zur Handlungsunfähigkeit.
W ah l k ö n i g e
Der unerwartete Tod Zygmunt II ohne männliche Nachkommen und fehlende Erbfolgeregelungen führten 1572 zu einem Interregnum und ermöglichten dem Adel, die freie Königswahl durchzusetzen. Die "Qual der Wahl", die sich in der Adelsrepublik häufig wiederholen sollte, zeigte die Kandidatenliste: 2 Brbg, 1 Schwede, 1 Russe, 1 Öster, 1 Lothringer. 1573 wählten 50.000 Adlige auf dem Wahlfeld Pola, in einer electio viritim, also Mann für Mann, Henri Valois, den Bruder Karls IX von Frankreich, zu ihrem König. Das wurde ermöglicht, weil Henri zuvor in den Articuli Henriciani auf viele königliche Prärogativen verzichtete, was dem Adel fast uneingeschränkte Souveränität sicherte. Seitdem stand - im Gegensatz zu absolutistischen Herrschern im übrigen Europa - der Polnische König nicht mehr über der Nation, sondern unter ihr; neben dem Senat und dem Adel wird er als 1. Stand zu einem republikanischen Reichsstand.
Henri's Weigerung, Anna, die 30 Jahre ältere Tochter Zygmunt's II zu heiraten und seine Rückkehr nach Frankreich als Thronfolgekandidat seines Bruders, führten schon 1575 zu seiner Abwahl.
Wiederum drängten sich 7 Kandidaten (3 Habsburger - auch Kaiser Maximilian I - , 1 Ital, 1 Wasa, 1 Böhme, 1 Russe) zur Wahl. Zuerst wählten 10.000 Adlige Kaiser Maximilian, dann jedoch entschieden sich 20.000 Adlige in einer Doppelwahl für den Fürsten von Siebenbürgen, Stefan Bathory, der allerdings die Jagiellonin Anna heiraten musste.
Stefan ist als große Herrschergestalt wegen der Absicherung der Ostgrenze (in 3 Feldzügen gegen Moskau), innerer Konsolidierung des Staates und religiöser Toleranz in die Geschichte eingegangen.
Auch bei der 3. Königswahl (diesmal: 4 Habsbg, 1 Bathory, 1 Russe, 1 Schwede) kommt es zu einer Doppelwahl. 1587 setzt sich Zygmunt III Wasa, ein Enkel von Zygmunt I, durch, dessen Erbfolgeinteressen auf den schwedischen Thron Polen in die dynastischen schwedischen Auseinandersetzungen (Krieg um Livland) und - am Rande- in den Dreißigjährigen Krieg hineinzog. Hier ist noch anzumerken: Verlust Livland's, Estland's, Danzig's; schwedische Vorherrschaft an der Weichselmündung; Übergabe Herzoglich-Preußen als Lehen an Brandenburg.
1633 wird Wladyslaw II Wasa, seit 1599 König von Schweden, 1611 Zar von Russland, zum polnischen König gewählt. Er kämpft gegen die Russen und bereitet Türkenfeldzüge vor, wird aber vom Adel zur Auflösung des Heeres gezwungen. Die Friedensstärke für das 990.000 km² große Polen sinkt auf 4.000 Mann! Einzelne Magnaten haben jedoch Privatarmeen von 3.000 Mann.
Unter Jan II Kasimir, 1648 zum König gewählt, brach der Konflikt mit den Dnepr-Kosaken (Saporoger Kosaken) aus, der 1654 (Peresjaslaw) zur Aufkündigung des Gehorsams gegenüber Polen und zur Protektoratsnahme durch den Zaren führte (Kosakenfürstentum von Kiew, Braclaw, Cernigov).
Karl X Gustav zog (im 1. Nordischen Krieg) gegen die geschwächte Adelsrepublik, die er fast vollständig besetzte. 1656 gab er das Herzogtum Preußen und Ermland dem Kurfürsten Friedrich Wilhelm I zum Lehen.
Jan II erklärte im Kampf gegen die Schweden die Mutter Gottes (Schwarze Madonna von Tschenstochau) zur "Königin von Polen".
1660 kommt es zum Frieden von Oliva: Aufgabe der Ansprüche auf schwedischen Thron, Bestandswahrung in Livland, Entlassung Herzoglich Preußens aus der polnischen Vasallität.
Kriegerische Auseinandersetzungen mit Russland enden 1667 im Frieden von Andrussow, der Russland Smolensk und die Ukraina einbringt, im übrigen aber Litauen in seinen alten Grenzen restituiert. Damit ging Polens einstige Großmachtstellung im Osten verloren: Polen-Litauen war durch die "Kriege der blutigen Sintflut", Pest und Hungersnöte auf 700.000 km² amputiert und auf 5 Mio. Einwohner geschrumpft.
Innenpolitik: Entwicklung der Reichstage: Ziel der (alle 2 Jahre und begrenzte Zeit zusammentretenden) Reichstage war, ein zusammenfassendes Gesetz (Constitutio) zu verabschieden. Dabei war nicht das einzelne Gesetz zu einem Teilkomplex, sondern nur das zusammenfassende Gesetz beschlussfähig: erforderlich war die Einstimmigkeit des Beschlusses (unanimitas votorum). Die Landboten, die durch imperatives Mandat gebundenen Gesandten der Landtage, hatten jedoch das Recht der "freien Stimme", das liberum veto.
1652 erstmals (vom Landboten Sicinski) als Veto gegen die Verlängerung des Reichstages eingesetzt, wurde es immer häufiger gebraucht, um die Verhandlungen zu hemmen oder gar den Reichstag zu "zerreißen" (liberum rumpo)., so dass im 18. Jh. regelmäßig jeder zweite, zwischen 1741 und 1760 sogar jeder Reichstag ergebnislos verlief.
Die dadurch eintretende "Anarchie" wurde zum tragischen Schwachpunkt der egoistisch-standesorientierten Adelsrepublik und gab auswärtigen Mächten durch Nötigungen und Bestechungen reiche Möglichkeiten der Einflussnahme in innere Angelegenheiten.
1669 kam es mit Michael Korybut (aus Piastenblut, verehelicht mit Habsburgerischer Eleonore) zu pro-österreichischer Orientierung und damit zum Konflikt mit den Türken. Nach Zerreißen des Reichstages, der keine Kriegssteuer bewilligen wollte, musste zu Gunsten der Türken (Vorfriede von Buczacz 1672) auf die Wojewodschaften Braclaw und Podolien verzichtet und das türkische Protektorat über die Ukraina anerkannt werden.
1674 kam mit Jan III Sobieski ein - über seine Ehefrau 'Marysienka'- nach Frankreich orientierter, im nordischen Krieg bewährter Feldherr auf den Thron. Ihm gelang es, die offensive Kraft des Osmanenreiches zu brechen und damit die Südostgrenze wesentlich zu entlasten. Seinen Ruhm begründete er als "Türkensieger" in der Schlacht auf dem Kahlenberge als Führer des deutsch-polnischen Entsatzheeres am 12.11.1683. Im Frieden von Karlowitz (1699) erfolgte die Rückgliederung Podoliens und der türkisch besetzten Ukraina; erfolglos blieben Eroberungsversuche in der Moldau und Walachei.
1697 begann mit der - 66 Jahre währenden - "Sachsenzeit" eines der dunkelsten Kapitel der polnischen Geschichte. Dies zeigte schon der Wahlakt: Zuerst wählten 100.000 den französischen Prinzen Conti; tags darauf votierte die durch massive Bestechungen umgestimmte Hälfte der Wähler für den Wettiner August II, den gerade zum Katholizismus konvertierten Kurfürsten von Sachsen. Dieser verfolgte - polnischem Recht und Tradition widersprechend - absolutistische Bestrebungen nach Errichtung einer sächsischen Erbmonarchie, die er durch großzügige Abtretungsangebote an seine Nachbarn zu erkaufen suchte.
Der 2. Nordische Krieg (gegen Schweden's Karl XII) forderte schwere Opfer und führte (nach der Eroberung Polens und Sachsens 1706 im Frieden von Altranstädt) zu seiner Abdankung.
Der schwedische Günstling Stanislaw Leszczynski wurde (nach der Generalkonföderation von Warschau) 1704 zum König gewählt, musste nach der schwedischen Niederlage 1709 von Poltawa Polen verlassen. August II widerrief seinen Thronverzicht, räumte dem Zaren jedoch weitreichende Mitspracherechte in innerpolnischen Angelegenheiten ein, was bald zu einem unverhüllten Protektorat Russlands führte.
Die Pläne Friedrich Wilhelms I (1701 ohne Anerkennung durch den polnischen Sejm zum "König in Preußen" gewählt) für ein "grand dessin" und August II für ein dominium absolutum führten den polnischen Adel in die Konföderation von Tarnogrod (1716) und zum Herbeirufen russischer Truppen, die den Abzug der sächsischen Truppen bewirkten.
Die ständige Präsenz russischer Truppen und die zaristische Politik, die territoriale Integrität Polens zu sichern und die "goldenen Freiheiten" des Adels zu erhalten, sicherten dem Zaren das ausschlaggebende Gewicht in Polen-Litauen. Dies zeigte sich schon bei der Königswahl von 1733: 12.000 wählten den Exkönig Stanislaw Leszczynski; unter dem Druck russischer Truppen wählten 1.000 meist adlige Litauer den Kurfürsten August III von Sachsen, der dann bis 1763 energie- und interessenlos eine beispiellose Günstlingswirtschaft duldete, so dass die Magnaten im Kampf um Ämter, Krongüter und Einfluss die Adelsrepublik völlig lähmten und ihre Autorität verfallen ließ.
Zu den einflussreichsten Magnatenfamilien zählten die frankophilen Potocki (Republikaner, Patrioten) und die russophilen Czartoryski ("Familie").
Der "Familie" gelingt es 1764, Stanislaw August Poniatoski, einen Günstling (Liebhaber) von Katharina II, zum König zu wählen. Dessen Bestrebungen nach Reform der Königswahl und Abschaffung des liberum veto vereitelten die russische Schutzmacht und der Adel 1767 in der Generalkonföderation von Radom ("Republikanische Konföderation der Königsgegner und Reformfeinde"). Der Reichstag musste - unter der Drohung von 40.000 Russen vor Warschau und Verbringung von Oppositioneller nach Sibirien - einen "ewigen" russisch-pol-nischen Vertrag über die "Kardinalsrechte": Beibehaltung des liberum veto und freie Königswahl ausarbeiten und akzeptieren. Um die übermächtigen Russen aus Polen zu vertreiben, bildete sich 1768 aus dem Kleinadel die Konföderation von Bar, deren Anhänger in die Türkei abgedrängt werden und den türkisch-russischen Krieg auslösten. Die Russen führten ihn unter Gen. Suvorov erfolgreich.
Preußen (Friedrich II) und Österreich (Joseph II) betrieben aus Misstrauen gegenüber dem starken russischen Einfluss eigene Besetzungen polnischer Gebiete und entwickelten (1769 Neiße) Teilungspläne, denen 1770 Katharina II zustimmte.
1772 kam es dann zur 1. Teilung Polens: Polen verliert 203.000 km² und 4.5 Mio Einwohner an Russland, Preußen und Österreich.
Der Teilungsschock ermöglicht jedoch in Restpolen (527.000 km², 7 Mio. Einwohner) Reformfortschritte (1791 Neue Verfassung "Konstitution des 3. Mai": Beseitigung des liberum veto, der Konföderationen; dynastische Erbfolge) im Geiste Rousseau's und der fran-zösischen Revolution.
Die Umsetzung der Neuerungen scheiterten jedoch am Desinteresse Preußens und Österreichs und dem Gegenwirken von Katharina II, die die "französische Pest" an der Weichsel nicht hinnehmen wollte. Sie ermunterte konservative Magnaten 1792 zur Konföderation von Targowice und stellte ihnen ein russisches Heer von 100.000 Mann.
Deren Erfolge führten zur 2. Teilung Polens, die Russland 228.000 km² und 3 Mio. Einwohner und Preußen 58.400 km² und 1.14 Mio. Einwohner zuführte.
Der gegen die Russen gerichtete Aufstand unter Kosciuszko blieb erfolglos und führte 1795 zur 3. Teilung Polens: Russland 146.000 km², 3 Mio Einwohner; Österreich 51.000 km², 1.1 Mio. Einwohner; Preußen 43.000 km², 1 Mio. Einwohner.
Nach Abdankung Stanislaws August Poniatowski am 25. 11. 1795 war die polnische Adelsrepublik als Staat von der politischen Landkarte getilgt. Die mit den Reformbewegungen eingeleiteten politischen und sozialen Umwälzungen hatten jedoch schon ein neues Nationalgefühl entstehen lassen, das ein Überleben ("Jeszcze Polska nie zginiela... Noch ist Polen nicht verloren...") der polnischen "Nation ohne Staat" ermöglichen sollte.
Zusammenfassung
Jahrhundert:
10./11. Staatsgründung unter Patenschaft des dt Kaisers und kath. Kirche
frühe Christianisierung
starke Ausdehnung (Groß-/Kleinpolen); Königswürde
13. Staatliche Desintegration: 20 Kleinstaaten
Ruf nach Dt. Ritterorden: Heidenbekehrung
14. Wiederherstellung und Verteidigung der Reichseinheit
Kasimir'sche Reformen
Personalunion mit Litauen
15. Sieg über Ritterorden
Ausbildung des Adelsstaates
Griff nach der Wenzels- und Stefanskrone
16. Grenzverteidigung: Ost: Moskau Südost: Tataren
"Goldenes Zeitalter": Renaissance - Humanismus - Reformation; Christianisierung Litauens; Realunion mit Litauen
Wahlkönigtum in der "königlichen Adelsrepublik"
17. Kriege mit Moskau und Schweden (dominium maris Baltici); Verlust der Großmachtstellung; Türkenkriege
18. Politischer Niedergang unter den Sachsenkönigen
Russische Suprematie bei innerer "Anarchie"
Reformversuche
Teilungen durch die aufstrebenden Großmächte Russland, Preußen, Österreich
Polen, ein Land Ostmitteleuropas,
- ein Jahrtausend in katholischem Christentum verankert
- als Bollwerk gegen Mongolen, Tartaren, Osmanen bewährt
- frühzeitig mit extrem-republikanischen Formen gegen den Absolutismus auftretend
- von starker rechtlicher, kultureller und dynastischer "Westbindung" geprägt
hat seine Wiege in Europa.
Seine staatliche Entwicklung und dann auch sein politisches Schicksal sind maßgeblich von westeuropäischen Ereignissen und Interessen bestimmt gewesen.
Es steht also im "Europäischen Haus" näher der Elbe als dem Ural!
Geschichtlicher Abriss bis 1795 Grunddaten 1992 Fläche 312 638 qkm 3 % von Europa, 8. Platz 460 km Grenze zu Deutschland Einwohner 38,3 Mio 123 EW/qkm 7. Platz Bruttosozialprodukt 3000$ Dtschld 25500$ Portugal 7200$ Ungarn 4200$ R E G E N T E N (Auswahl) Piasten 960- 992 Mieszko I Gründer des Staates, der Piastendynastie 992-1025 Boleslaw I Außenpolitiker, Eroberungen 1107-1138 Boleslaw III Senioratsverfassung, staatl. Desintegration 1138-1306 Teilfürsten Herzöge im Seniorat von Krakau Königreich Polen 1305-1333 Wladislaw I Wieder königliche Zentralgewalt 1333-1370 Kasimir III Reformer Haus Anjou 1370-1382 Ludwig von Ungarn Ungarisches Zwischenspiel 1384-1399 Jadwiga Ehe mit Jagiello von Litauen Jagiellonen 1386-1434 Wladyslaw II Jagiello Personalunion mit Litauen 1434-1444 Wladyslaw III Warenczyk 1447-1492 Kasimir IV Jagiellonczyk Ausgreifen nach Böhmen-Ungarn 1492-1501 Jan I Olbracht Türkenkriege 1501-1506 Aleksander Kriege gegen Moskowiter 1506-1548 Zygmunt I der Alte 1548-1572 Zygmunt II August Realunion mit Litauen Wahlkönige 1574-1575 Henri Valois Weitreichende Adelsprivilegien 1576-1586 Stefan Bathory Konsolidierung, Sicherung der Ostgrenze 1587-1632 Zygmunt III Wasa Drang nach schwedischem Thron 1632-1648 Wladyslaw IV Wasa Militärische Schwäche 1648-1668 Jan II Kasimir Wasa Aufstände, Verlust der Großmachtstellung 1669-1673 Michal Korybut Wisniowiecki Verluste in Türkenkriegen 1674-1696 Jan III Sobieski "Türkensieger" von Wien 1697-1706 August II der Starke Streben nach sächsischer. Erbmonarchie 1704-1709 Stanislaw Leszczynski Schwedischer Einfluß 1709-1733 August II der Starke Entstehen der russischen Suprematie 1733-1736 Stanislaw Leszczynski 1733-1763 August III Günstlinge, Kampf der Magnaten 1764-1795 Stanislaw August Poniatowski Reformversuche, Drei Teilungen
Z e i t t a f e l von Ereignissen der polnischen Geschichte 960 - 1795 960 Staatsgründung (Großpolen) 965 Beginn Christianisierung 1000 Errichtung Erzbistum Gnesen 1024 1. Königskrönung 1226 Herzog von Masowien ruft Deutschen Ritterorden ins Land 13.Jh. 20 Kleinstaaten unter Seniorat von Krakau 1333 Kasimir'sche Staatsreform: Haushalt, Münze 1364 1. Rechtskodifikation: Strafrecht, Adelsrechte 1374 Privileg Kaschau: Steuerfreiheit, Ämtermonopol für Adel 1385 Vertrag Krewo: Annahme katholischen. Glaubens, Angliederung Litauens 1386 Personal-Union Polen-Litauen 1410 Schlacht Tannenberg: Niederlage des Ritterordens 1466 Ritterorden wird im kreuzritterlichen Preußen lehnsabhängig 1454 Kasimir IV ehelicht Habsburgerin Elisabeth: Kontrolle über 4 Throne 1569 Realunion Polen-Litauen 1572 1. freie Königswahl in der "königlichen Republik" 1573 Articuli Henriciani: Wahl-, Religionsfreiheit, Widerstandsrecht 1576 Jan Bathory sichert Ostgrenze nach 3 russischen Kriegen 1629 Nach polnisch-schwedischem Krieg: Verlust von Livland, Estland. Danzig 1648 Aufstände der Kosaken 1655 1.Nord."Krieg der blutigen Sintflut": Karl X. besetzt Litauen-Polen 1660 Friede Oliva: Aufgabe auf schwedische Thronfolge, Sicherung Livlands 1660 Entlassung Herzoglich. Preußens aus polnischer Vasallität 1667 Friede Andrussow: Smolensk und Ukraina fallen an Rußland 1672 Friede Buczacz: Wojew. Braclaw, Podolien fallen an Rußland 1674 Türkenkriege unter Jan III Sobieski 1683 Schlacht am Kahlenberge vor Wien stoppt türkisches Vordringen 1697 Wahl August II, des Starken: Polnisch-sächsische Union 1706 Friede Altranstädt: Ende des 2. Nord. Krieges; August II dankt ab 1709 Niederlage Poltawa: Widerruf des Thronverzichts 1716 Konföd. Tarnogrod: Herbeirufen russischer Truppen 1764 Stanislaw August Poniatowski wird mit russischer Unterstützung König 1767 Konföd. Radom: "Republikan. Konföd. der Königsgegner und Reformfeinde" 1768 Konföd. Bar: gegen König und russischen Einfluß 1772 1. Teilung Polens 1791 Reform der Staatsverfasssung: "Konstitution des 3. Mai" 1792 Konföd. Targowice: Katharina's II Kampf gegen die "französische Pest" 1792 2. Teilung Polens 1794 Kosciuszko's Aufstand gegen die Russen 1795 3. Teilung Polens: Auflösung des polnischen Staates